Anfang vom Ende
Der Anfang war eigentlich das Ende. Das Ende der Deutschlandfertigung, die für mich als Angestellte bei einem der größten Bekleidungshersteller selbstverständlich war. Das Unternehmen, in dem ich meine Ausbildung absolviert und danach über 10 Jahre gearbeitet hatte, vertrieb einige Marken, seine Kernkompetenz war jedoch das Private Label Geschäft. Designen und Schneidern für die großen Textilketten dieser Welt.
Last statt lukrativ
Die vielen Betriebe innerhalb Deutschlands wurden zur Last. Man investierte in Betriebe in China und verlagerte die Produktion sukzessive nach Übersee. Gefühlt hat das ein Jahr gedauert, wahrscheinlich waren es eher fünf. Man musste und wollte wettbewerbsfähig bleiben. Tausende von gut ausgebildeten Fachkräften kostete es den Job.

Geiz ist Geil
Ein bekannter Werbeslogan aus dieser Zeit spiegelt wieder, was damals wichtig war: günstig, günstig und nochmal günstig. Negative Konsequenzen nahm man in Kauf. Billigketten wie KiK schossen aus der Erde wie Pilze und selbst Unternehmergattinnen trafen sich zur gemeinsamer Shopping-Touren, um sich gegenseitig mit dem günstigsten Outfit zu überbieten. Minimalistischer Anspruch auf Kosten von allem, was vorher Bedeutung hatte.
Der Wendepunkt in weiter Ferne
Als Nachrichten von Umweltverschmutzung durch chemische Färbeprozesse in China und verheerende Arbeitsbedingungen in Bangladesch, die vielen Menschen das Leben kosteten, nach Deutschland drangen, gab es den ersten kleinen Ruck in der Gesellschaft. Nicht in der Industrie. Bis heute nicht.

Zurück zum Ende der 90ziger
Damals war ich als Angestellte mitten in einer großen „Umstrukturierungsphase“. Als erstes traf es die Produktionsbetriebe. Auf einer Betriebsversammlung sagte unser damaliger Personalchef: „Die Übersee-Fertigung ist nicht aufzuhalten. Ich bekam heute einen Anruf von einem Bürgermeister, der mich anflehte, unseren Betrieb nicht zu schließen. Schließlich hätte BOSS ja schon sein Werk geschlossen“.

Da ich mich noch heute so gut an diesen Tag erinnern kann denke ich, dass die Idee dort ihren Anfang nahm. Und sie setzte sich fort, als ich in der Abteilung einer etablierten hochpreisigen Marke landete.
Auch hier wurde in Übersee gefertigt und alles, was nach 3-4 Monaten nicht stimmig vom Schiff kam, wurde in eigenen Feuerwehrbetrieben zurechtgeschneidert. Später dann in Polen oder Tschechien. War das tatsächlich günstiger produziert?
Was nicht überarbeitet wurde, kam vom Kunden zurück. Häufigster Retourengrund: Passform. Etwas, das nicht repariert, aber kaschiert werden kann.
Von einer Marke erwartet der Kunde, dass sie hält, was sie verspricht. Hochpreisige Marken versprechen beste Qualität im Material, in der Ausführung, im Sitz. Wäre hier Deutschland-Fertigung nicht das Tüpfelchen auf dem i?

Aus Überzeugung wurde Gewissheit
Damals wie heute bin ich überzeugt, dass Marken auf einem gewissen Preisniveau mit einer Fertigung in Deutschland sehr gut hätten leben können. TRIGEMA macht es vor. Andere versuchen zumindest ihre Musterproduktion vor Ort zu halten. Ich bin ein Kind der Überzeugung „Mode für Millionen, nicht für Millionäre“.
Schon 2012 war mir klar, dass die Ansprüche des Endverbrauchers sich wandeln. Ich begann, meine Idee aufzuschlüsseln.
Es dauerte 9 Jahre, bis ich auch nur im Ansatz mit der Realisierung beginnen konnte. Und auch jetzt gilt es viele Hindernisse zu überwinden. Unverständnis ist nur eines davon. Die Pandemie ein weiteres. Ich gehe einen Schritt vor und zwei Schritte zurück. Aber jeder Schritt nach vorne bringt mich ein Stück weiter. Unausweichlich!